Kurios; ich selbst lasse mich nur ungerne fotografieren. Wenn es unumgänglich ist, lasse ich es notgedrungen über mich ergehen. Aber manchmal hasse ich es regelrecht. Vor allem dann, wenn der Mensch hinter der Kamera nicht wirklich fotografieren kann und ich genau weiß, was für scheußliche Fotos entstehen werden …
Bitte keine Fotos!
Mit dieser Abneigung stehe ich nicht alleine da. Vielleicht geht es auch Ihnen so? Dann kennen Sie sicherlich die typische Situation auf Familien- oder Betriebsfeiern. Man ist fröhlich, fühlt sich wohl und dann das; irgend jemand holt die Kamera raus.
Ab da ist es vorbei mit lustig. Das Gesicht verkrampft sich und Lächeln wird zur Qual. Hektisch wird überlegt, ob man noch irgendetwas richten sollte. Wie sehen die Haare aus? Sitzt die Klamotte? Mist, ich habe zwei Kilos zugenommen, bloß den Bauch einziehen. Unauffällig versucht man alle Problemzonen zu verstecken und sich möglichst vorteilhaft zu positionieren. Und so weiter und so weiter …
Das macht keinen Spaß!
Manchmal sage ich auch, dass ich nicht fotografiert werden möchte, was leider nicht jeder akzeptiert. Letztlich versucht man sich sein Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Ein Spielverderber möchte man auch nicht sein. Also lässt man es notgedrungen über sich ergehen.
Eine Möglichkeit Schlimmeres zu verhindern ist, sich die Fotos auf der Kamera anzusehen und heimlich die übelsten zu löschen – natürlich aus Versehen.
Bitte lächeln!
Das Schlimmste sind für mich Gruppenfotos, bzw. gestellte Aufnahmen. Auf Kommando Lächeln geht bei mir so gar nicht. Dann wird es tatsächlich zum Gesichtskrampf. Eigentlich ist es verwunderlich, dass ich so reagiere. Mein Vater ließ keine Gelegenheit aus, die Familie zu fotografieren und zu filmen.
Es hat mich nie gestört, weil ich es von klein an gewohnt war. Doch spätestens mit der Pubertät verlor ich das natürliche Verhalten vor der Linse. Ab da wollte ich weder fotografiert noch gefilmt werden. Ich fand mich so schrecklich auf Fotos, dass ich entwischte sobald die Kamera ins Spiel kam.
Kein Wunder, dass ich das für mich selbst,
beruflich so lange Zeit ablehnte.
Ich sollte nun diejenige sein, die mit der Kamera für Unwohl sorgt? Auzf keinen Fall! Selbst auf Familienfeiern oder Ausflügen mit Freunden ließ ich meine Kamera immer Zuhause. Das sorgte zunehmend für Verwunderung und manchmal eine verständliche Enttäuschung.
Doch auch das konnte meine Meinung nicht ändern. Auch die immer häufigeren Anfragen von Kunden lehnte ich ab. Mit meiner freiberuflichen Arbeit als Fotografin war ich glücklich.
Warum also etwas ändern?
Und doch; rückblickend weiß ich, es kribbelte mich schon mal des Öfteren in den Fingern. Hätte ich unsichtbar fotografieren können, ich hätte es sofort getan. Ich wusste sogar, dass es mir besonders lag, Menschen zu fotografieren. Doch der Gedanke an meine eigene Aversion schreckte mich zu sehr ab. Nur selten machte ich eine Ausnahme.
So hatte ich einmal die Ausstellungseröffnung einer befreundeten Malerin fotografiert. Ich ging dabei betont unauffällig vor. Dabei fiel mir ein Paar auf, das offensichtlich im Kaufentscheidungsprozess war. Immer wieder gingen sie zwischen zwei favorisierten Bildern hin und her, ließen sie auf sich wirken und redeten leise miteinander.
Unbemerkt fotografierte ich das Prozedere und machte später der Künstlerin eine riesige Freude mit diesen Fotos. Der Kauf war tatsächlich zustande gekommen. Eine dieser Aufnahmen diente später als Vorlage für ein Ölgemälde. Das habe ich nie vergessen. Trotzdem blieb ich bei meinem Entschluss.
Man sollte nie nie sagen …
Doch es gab jemanden, der genauso hartnäckig war wie ich es bin. Mein ältester Sohn ließ nicht locker: „Mama, Du solltest auch Menschen fotografieren“. Diesen Satz bekam ich immer wieder zu hören. Man muss wissen; kaum jemand kennt mich so gut wie meine Söhne. Ich begann darüber nachzudenken und entschied eines Tages es zumindest in Betracht zu ziehen.
Doch eher unerfahren auf diesem Gebiet der Fotografie konnte ich mir nicht vorstellen wie das gehen sollte. Auch da kam mein Sohn wieder ins Spiel. Schon bald bekam ich die Gelegenheit eine richtig große Geburtstagsparty fotografisch zu begleiten.
Meine Schwiegertochter und zwei ihrer besten Freundinnen feierten gemeinsam ihren Dreißigsten in einer tollen Location. Viele Gäste waren geladen; Familien und Freunde der drei Mädels wollten an diesem Abend fröhlich feiern.
Lampenfieber bis zum geht nicht mehr!
Hatte ich mich zunächst gefreut, eine solche Gelegenheit zu bekommen, wurde mir wenige Stunden vorher speiübel. Die Sorge über nicht vorhandene Erfahrung im Bereich der Partyfotografie machte mir mächtig Angst. Was, wenn ich mich blamieren würde? Doch nun gab es kein Zurück mehr; ich hatte ein Versprechen gegeben.
Zumindest verfügte ich Dank meiner langjährigen Tätigkeit über eine professionelle Ausrüstung und das notwendige Wissen im Umgang damit. Doch Partyfotografie ist eine ganz besondere Herausforderung und für mich ein Sprung in Eiswasser.
Die Zuversicht meines Sohnes, der im Gegensatz zu mir selbst keinerlei Zweifel an meinem Können hegte, machte mir Mut. Zudem freuten sich meine Schwiegertochter und ihre Freundinnen, dass ich dieses so besondere Ereignis festhalten würde. Ein schöneres Geburtstagsgeschenk kann man ja auch kaum machen …
Dann war es soweit.
Mit klopfendem Herzen, weichen Knien und Fotoausrüstung ging es los. Bei ihrer Ankunft wunderten sich manche Gäste etwas, dass eine Fotografin anwesend war. Doch schneller als gedacht, achtete kaum noch jemand darauf. Ich kam auf den Geschmack. Selbstbewusst begann ich mit den Gästen zu interagieren.
Zu meiner Verblüffung gefiel ihnen was ich tat. Sie lachten in die Kamera und fühlten sich offensichtlich wohl vor meiner Linse. Nur sehr Wenige waren etwas verunsichert. Doch da kam mir meine eigene Befindlichkeit zugute.
Ich versicherte ihnen, dass ich kein schlechtes Foto rausgeben würde und zeigte ihnen einige Aufnahmen. Das beruhigte offensichtlich, denn ab da gab es niemanden mehr, der beim Anblick meiner Kamera das Weite suchte.
Generell achtete ich darauf, eher aus der Ferne abzulichten. So fühlte sich niemand beobachtet. Mein Teleobjektiv war an diesem Abend häufig im Einsatz. Später, als es in den Tanzkeller zur Tanzfläche ging, war ich noch einmal etwas nervös. Wie würde ich mit den Lichtverhältnissen dort klarkommen? Auf Partys hatte ich ja noch nie fotografiert.
Doch auch diese Sorge war unberechtigt.
Es klappte besser als gedacht. Schnell war die Tanzfläche gefüllt und ich legte los. Vor allem hatte ich die Gastgeberinnen im Blick; alle Drei sehr schöne Frauen. Ausgelassen und voller Lebensfreude genossen sie die Party und rockten die Tanzfläche. Die Stimmung war toll und fast alle Gäste tanzten ausgelassen. Ich machte ein Foto nach dem anderen. Es gab keinen Zweifel; ich hatte Blut geleckt.
Auf dem Höhepunkt des Abends begannen die Geburtstagskinder gemeinsam mit drei weiteren engen Freundinnen von einem Moment auf den anderen aus der sprühenden Laune heraus vor meiner Kamera zu posieren. Völlig frei und ungezwungen nahmen sie die unterschiedlichsten Posen ein und hatten sichtlich Spaß dabei.
Das war eine Gaudi, würde man in Bayern sagen. Sämtliche Umstehenden hatten ebenfalls ihre helle Freude daran. Doch ich habe mir das Lachen ziemlich verkneifen müssen. Die Konzentration lag auf der Kamera. Mein Glück konnte ich in diesem Moment gar nicht fassen! Die jungen Frauen sahen aus wie Models und so war das Fotografieren leicht. Die Einstellungen stimmten und ich konnte einfach draufhalten.
Also doch!
Diese Party werde ich mein Leben lang im Herzen tragen. Es war DAS Schlüsselerlebnis in Sachen Peoplefotografie. Die Entscheidung war damit schnell gefallen. Mein Sohn hatte recht behalten; das war mein Ding! Zudem schloss ich an diesem Abend die ganze FrauenClique samt Schwiegertochter ins Herz. Ich sollte sie nicht das Letzte Mal fotografiert haben …
Später wollten einige der Gäste mehr über meine Arbeit als Fotografin wissen. Ich erzählte ihnen warum ich bisher keine Peoplefotografie hatte machen wollen. Sie waren allesamt sehr erstaunt und konnten kaum glauben, dass diese Party ‚mein erstes Mal‘ war. Einhellig waren sie der Meinung, ich solle auf jeden Fall weitermachen.
Sie versicherten, wie wohl sie sich mit mir als Fotografin gefühlt hatten. Niemand hatte sich belästigt oder gestört gefühlt. Offensichtlich bin ich deutlich professioneller rübergekommen, als ich es auf diesem Gebiet der Fotografie damals war. 🙂
Nach der Party ist vor der Party …
An diesem Abend fuhr ich sehr glücklich und voller neuer Eindrücke nach Hause. Noch in der Nacht sah ich mir die Fotos an um jeden Zweifel auszuräumen. Die Ergebnisse waren richtig klasse! Die Fotos entsprachen nicht nur technisch meinen Anforderungen. Es war mir tatsächlich gelungen die Stimmung der Feier einzufangen; mein Ziel war erreicht. Vor Aufregung konnte ich erst am Morgen einschlafen.
In den Tagen darauf folgten Sichtung, Sortierung und Bearbeitung der Fotos. Von den schönsten Aufnahmen machte ich noch ein Video, unterlegt mit den Musik-Highlights des Abends. Das Feedback war toll.
Alle waren begeistert und fanden die Fotos sehr professionell.
Als ich am nächsten Tag mit meinem Sohn sprach und ihm verkündete, dass ich nun in die Peoplefotografie einsteigen wolle, freute er sich sichtlich.
Allerdings machte ich ihm klar, dass ich zunächst einige Anlässe zum Üben bräuchte. Schließlich zahlen Kunden für diese Arbeit und da wollte ich sicherstellen auch zuverlässig abliefern zu können. Ich hatte Glück; kurz darauf konnte ich weitere Geburtstagsfeiern, einen JunggesellinnenAbschied und die darauf folgende Hochzeit fotografisch begleiten.
Auf Letzteres hatte ich mich noch einmal extra vorbereitet.
Ich schaute erfahrenen Kollegen über die Schulter und ließ mir gute Tipps und Ratschläge mit auf den Weg geben. Das hat mir sehr geholfen. Denn auch da packte mich noch einmal das Lampenfieber. Schließlich heiratet man nur einmal – zumindest in dieser Konstellation. So waren meine eigenen Erwartungen hoch.
Meine wochenlange Vorbereitung kam mir zugute. Ich fotografierte 16 Stunden lang; vom Getting ready der Braut bis in die Partynacht hinein. Am Ende konnte ich eine 1300 Aufnahmen umfassende und wirklich gelungene Fotoreportage an das glückliche Paar ausliefern.
Sie sind bis heute meine besten Kunden.
Egal was ich fotografiert habe; das Ergebnis überzeugte jedes Mal. In einer hiesigen Kita fotografierte ich wenig später die Abschiedsfeier für eine der Erzieherinnen. Für diese Fotos bekam ich ein besonderes Lob. Die stellvertretende Leiterin sagte mir; noch nie so schöne Kinderfotos gesehen zu haben. Sie hätte eine Gänsehaut beim Betrachten der Bilder bekommen. Da habe ich fast geweint.
Behördenkram
Kein Wunder, dass ich nun doch mache, was ich jahrelang vehement ablehnte. Die freiberufliche Arbeit wird jedoch ebenfalls bleiben. Als langjährige Künstlerin brauche ich in allem was ich mache auch den kreativen Freiraum. Darum arbeite ich auch schon etwas länger auf künstlerische Fotografie hin.
Um als Auftragsfotografin arbeiten zu können musste ich allerdings noch den unumgänglichen Behördenkram hinter mich bringen. Dazu gehörte, einen Eintrag in die Handwerksrolle der Handwerkskammer zu beantragen und das Gewerbe bei Stadt, Berufsgenossenschaft und Finanzamt anzumelden. Und dann hieß es warten auf die ersten Aufträge. Die ließen nicht lange auf sich warten.
Warum nicht auch Kurse?
Schnell kam mir auch der Gedanke Fotokurse anzubieten. Darauf war ich schon öfter angesprochen worden. Gedacht, getan! Doch dringender war die noch fehlende Internetpräsenz zu meinen neuen Services. Es gibt schon zwei Webseiten zur Fotografie und eine zu meiner Kunst. Nun kam meine Vierte dazu.
Jetzt hilft es mir …
Dass ich selbst nicht gerne fotografiert werde hilft mir bei meiner Arbeit als Fotografin enorm. Erst kürzlich war das wieder einmal der Fall. Ich hatte den Auftrag erhalten für ein Unternehmen u.a. Mitarbeiterportraits zu machen.
Die Männer kamen rein, fragten was soll ich machen, stellten sich hin, lächelten und Schwupps war das Bild im Kasten. Von den Frauen war die Mehrzahl sehr gehemmt und unsicher vor der Kamera. Verkrampfte Körperhaltung und genauso krampfhaftes Lächeln waren die Folge.
Ich musste handeln, schon rein menschlich.
So erzählte ich wie immer in solchen Situationen zuerst einmal, dass auch ich nicht gerne fotografiert werde. Was darauf folgt ist immer die gleiche Reaktion; verdutzte, ungläubige Gesichter aber auch eine spürbare Erleichterung und Entspannung. Wer das hört. muss immer auch darüber lachen und das lockert alles entscheidend auf.
Hier war es der gleiche Erfolg und das Fotografiert werden war danach auch kein Problem mehr. Teilweise fanden sie sogar richtig Freude daran und gefielen sich sehr auf den entstandenen Aufnahmen. So etwas freut mich dann ganz besonders.
Was ich daran so liebe …
Als Fotografin komme ich Menschen sehr nahe. Das meine ich eher weniger in physischer Hinsicht. Ich empfinde Fotografie als etwas sehr Intimes. Ein wirklich schönes Foto entsteht nur, wenn ich den Menschen in seiner ganzen Natürlichkeit, in seinem Selbst erwische.
Es geht nicht um ‚Schön sein‘ beim Fotografieren wie die meisten Frauen denken. Es geht nur darum, wie man sich vor der Kamera fühlt. Wenn die Chemie zwischen mir und meinen Kunden stimmt, mache ich gute Fotos. Darum ist mir ein sensibler Umgang mit Menschen so wichtig.
Glücklicherweise habe ein Händchen dafür.
Tatsächlich kann ich sagen, es gab bisher keine Kunden, mit denen ich nicht zurechtgekommen wäre. Ich knacke selbst die härteste Nuss. Genau das macht mir die meiste Freude. Zu sehen, wie gelöst und frei auch unsichere Menschen am Ende in meine Kamera lachen, ist das Größte. Der Erfolg gibt mir Recht; bisher wurde aus jedem Auftrag Stammkundschaft.
Soviel zu meiner Leidenschaft; Menschen zu fotografieren. Doch eines ist geblieben; ich lasse mich nicht gerne fotografieren. 🙂

